Tom brüllte, und nun schlugen seine Bettler die letzten der Vogelscheuchen mit ihren Eichenknüppeln nieder. Mit einem Triumphschrei hob Tom das glühende Schwert eines der Gefallenen auf.
Durer rollte sich auf das gute Knie und schoß. Der bleistiftdünne Strahl traf Tom in die Schulter. Der Riese drehte sich und fiel. Halb kriechend, halb springend näherte Durer sich ihm, um in bessere Schußposition zu kommen.
Rod zielte mit seiner Laserpistole auf den Ratgeber, verfehlte ihn jedoch knapp. Aufheulend suchte Durer hinter einem Gefallenen Deckung.
„Schnell!“ befahl Rod Gekab. „Ehe er noch einmal anlegen kann.“
Das Pferd sprang. Der Laserstrahl traf es in den Bauch — in den leeren Stahlbauch, wo es keinen Schaden anrichten konnte.
Aber der Roboter erstarrte mitten in der Luft und ließ den Kopf zwischen die Beine hängen. Hastig sprang Rod aus dem Sattel und schlug gleichzeitig mit Gekab auf dem Boden auf.
Rod rollte sich herum und sah Durer die Pistole auf ihn anlegen. Da warf Tom sich auf den Ratgeber. Beide stürzten zu Boden. Durers Pistole flog weit durch die Luft, aber auch Rod hatte seine beim Absprung verloren. Verzweifelt sah er sich nach ihr um.
Durer rollte sich zur Seite. Tom kam taumelnd auf die Beine.
Er torkelte Durer nach und griff nach dem Schwert eines der gefallenen Ratgeber — dabei stolperte er über eine Leiche.
Flink wie eine Katze war Durer hoch, packte das Schwert und hieb es herab…
Rod sprang. Seine Schulter traf Durer in den Bauch und warf ihn herum. Das Schwert landete, ohne Scha den anzurichten, im Gras. Durer stützte sich darauf und blieb dadurch auf den Füßen. Und schnell schwang er es wieder.
Rod rollte auf die Knie. Er sah das Schwert auf sich herabsausen.
Tom brüllte und stieß Rod zur Seite. Die glühende Klinge traf den Riesen. Sie trennte seine Schulter und ein Drittel seines Brustkorbs ab.
Rod heulte vor Wut auf. Sein Arm schwang um Durers Hals und gleichzeitig drückte er ein Knie in seinen Nacken. Etwas knackte.
Durer schrillte. Das Schwert entglitt seinen Fingern. Rod drückte ihn zu Boden. Immer noch schreiend tastete der Ratgeber nach dem Schwert.
Rod ließ sich auf ein Knie fallen und holte zu einem Handkantenschlag aus. Mit zerbrochenem Genick blieb Durer reglos liegen.
Heftig keuchend drehte Rod sich um. Er sah Toms schmerzverzerrtes Gesicht und das heraussprudelnde Blut. Rod biß die Zähne zusammen und tastete verzweifelt zwischen den Leichen herum. Als er seine Laserpistole gefunden hatte, drückte er ab und trennte noch etwa einen Zentimeter entlang Toms Wunde ab. Der Riese brüllte.
Die Bettler wollten sich mit Keulen und Schwertern auf Rod stürzen, aber ein krächzendes „Zurück!“ Toms verbot es ihnen. „Ihr Narren!“ ächzte er. „Sehr ihr denn nicht? Er hat das Blut gestoppt!“
Trotzdem hatte Rod schon einiges abbekommen und seine kaum verheilte Schulterwunde war neu aufgebrochen. Stöhnend ließ er sich auf ein Knie neben dem schwerverletzten Riesen nieder. Der Gestank nach versengtem Fleisch drehte ihm fast den Magen um.
Tom versuchte zu grinsen. „War — gut — gemeint, Herr. Zwei — Minuten — früher — und — es hätte — mich — gerettet.“ Rod riß sich den Umhang vom Rücken, knüllte ihn zusammen und schob ihn unter Toms Kopf. „Ruh dich aus!“ würgte er. „Du bist ein gesunder, kräftiger Bursche, du wirst schon wieder werden. So viel Blut hast du nicht verloren.“ „Zu viel — und — die Wunde — zu groß…“ Die schier unerträglichen Schmerzen ließen den Riesen verstummen. Rod schleppte sich zu Gekab, schlug auf den Sicherungsschalter und fummelte in einem der verborgenen Fächer nach einer Ampulle. Dann humpelte er zu Tom zurück und stieß sie ihm in das verbrannte Fleisch.
Tom entspannte sich mit einem gewaltigen Seufzer, als das Anästhetikum zu wirken begann. „Meinen Dank, Meister“, murmelte er schwach. „Ihr habt mir zumindest einen schmerzlosen Tod geschenkt.“
„So darfst du nicht reden!“ tadelte Rod ihn mit erstarrter Miene. „Du wirst dich noch viele Male mit einer schönen Dirn im Heu wälzen.“
„Nein, Herr.“ Tom schüttelte den Kopf und schloß die Lider. „Meine Zeit ist abgelaufen.“ „Du wirst jetzt nicht sterben. Tätest du es, bliebe ich in deiner Schuld, und das widerstrebt mir.“
„Den Teufel, ob es Euch widerstrebt oder nicht!“ schnaubte Tom fast wieder der Alte. „Ich bin jetzt in den Händen eines Mächtigeren als Ihr, der eines Tages auch Euch rufen wird.“
Sein Kopf sank auf Rods zusammengerollten Umhang herab, und er keuchte heftig.
Rod kniete sich stumm neben ihn. Toms ihm verbliebene Hand tastete sich über seinen Bauch zu Rods Arm. „Ja, jetzt steht Ihr in meiner Schuld, obgleich das nicht in meinem Sinn war.“
„Nicht in deinem Sinn? Was sprichst du da? Du hast mir das Leben gerettet!“
„Ja, und dadurch mein eigenes verloren. Aber mit klarem Kopf hätte ich nie so gehandelt.“
„Klarem Kopf?“
„Ja. In der Schlacht sieht und tut man, was einem zuerst bewußt wird. Es wart entweder Ihr oder der Rest meines Lebens im Dienst des Hauses Clovis, und in der Hitze des Gefechts zog ich in meiner Dummheit Euch vor!“ Schwer atmend schwieg er eine Weile, dann verkrampfte sich seine Hand um Rods Arm. „Doch da ich sterbe, steht Ihr in meiner Schuld! Und was Ihr mir nicht mehr bezahlen könnt, müßt Ihr an meinem Volk gutmachen.“
Rod versuchte seinen Arm zurückzuziehen. „Nein!“
„Doch!“ Toms Augen funkelten wild. „Nur so könnt Ihr Eure Schuld begleichen. Euer Leben für meines! Ihr müßt Euer Leben hier auf Gramayre verbringen, um Gutes für mein Volk zu tun!“
„Ich bin nicht mein eigener Herr!“
„Ihr seid es sehr wohl. Und wenn Ihr es nicht wißt, seid Ihr wahrlich ein Narr!“
„Der Preis ist zu hoch, Tom. In der Schlacht zu sterben, dagegen habe ich nichts, aber den Rest meines Lebens hierzubleiben, das kann ich nicht. Auch ich diene, um einen Traum zu verwirklichen…“
„Ich hatte ebenfalls die Wahl zwischen dem Traum oder dem Menschen. Gut, dann wählt, was Ihr für richtig haltet.“
„Ich habe eine Verpflichtung…“
„Genau wie ich, und so wird meine auf Euch übergehen und Euch von der anderen befreien. Ihr müßt jetzt mir und den Meinen dienen…“ Der Blick des Sterbenden verschleierte sich.
„Ich hatte geglaubt, ich wüßte, was das Beste für sie sei — doch jetzt wird alles dunkel um mich…“
Er ruckte plötzlich hoch. Husten schüttelte ihn und er spuckte Blut. Rod stützte ihn. Als der Anfall vorüber war, würgte der Riese. „Euer Geist — ist klarer — Ihr müßt — entscheiden…“
„Sei still.“ Rod versuchte ihn wieder auf den Umhang zu legen.
„Verschwende nicht das bißchen Leben, das noch in dir ist…“
„Nein!“ Tom umklammerte erneut Rods Arm. „Laßt mich sprechen. Espers — Tribunal — sie werden es schaffen. Wir -
kämpfen — hier — gegen sie…“
„Spar deine Kraft. Ich weiß, was du sagen willst.“
„Ihr wißt…“
„Ja. Du hast mir das letzte bißchen, was mir fehlte, gerade gesagt. Bleib jetzt ruhig liegen.“
Tom keuchte schwer. „Sagt es mir — ich — muß sicher — sein, daß — Ihr es — wirklich — wißt…“
„Ja, ich weiß es“, murmelte Rod. „Das DDT wird siegen. Ihr könnt es nur hier bekämpfen. Und ihr bekämpft euch untereinander.“
„Ja.“ Tom nickte kaum merklich. „Ihr — müßt jetzt — entscheiden — und — Herr…“ Der Rest war zu leise, als daß Rod ihn hätte verstehen können. Als Tom es bemerkte, kämpfte er um einen weiteren Atemzug, während er Rod besorgt ansah.
Rod beugte sich über ihn und legte sein Ohr dicht an Toms Lippen.
„Sterbt — nicht — für — einen — Traum…“
Rod runzelte die Stirn. „Ich verstehe nicht, was du meinst, Tom!“
Aber er bekam keine Antwort mehr.
Nach einer langen Weile drückte er dem Mann, der ihm zum Freund geworden war, die Augen zu.
„Mei-meister Gallowglass?“ Toby stand neben ihm und starrte verwirrt auf die Bettler, die sich jetzt um Toms Leiche knieten.
„Ja, Toby?“ Rod faßte den Jungen an der Hand und schritt mit ihm durch die Reihen der Bettler.