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Rod starrte die Gestalt ungläubig an. „Werwolf?“ Na ja, wenn es Elfen gab… Er runzelte die Stirn. „Käfig? Ich sehe keinen!“ „Eine magische Mauer umgibt diesen Hain“, zischte der Werwolf. „Die Kleinen haben sie um mich errichtet — und sie füttern mich auch nicht auf die richtige Weise!“ „Oh? Was ist denn die richtige Weise?“ erkundigte sich Rod. „Rohes Fleisch und Blut zum Hinunterspülen.“ Etwas mit unzähligen winzigen Füßchen schien Rods Rücken entlangzukrabbeln.

„Schließe Frieden mit deinem Gott“, riet der Werwolf, „denn deine Stunde ist gekommen.“

Pelz sproß aus seinen Händen, und aus den Fingernägeln wurden Krallen. Auch Stirn und Wangen bedeckten sich mit Fell. Nase, Mund und Kinn formten sich zur Schnauze. Die Ohren bewegten sich nach oben und liefen spitz zu. Er warf den dunklen Umhang von sich und offenbarte so silbergraues Fell. Und nun ließ er sich auf alle viere fallen. Tief in der Kehle knurrend, setzte der Wolf zum Sprung an. Rod wirbelte herum, aber das Wertier änderte noch in der Luft die Sprungrichtung. Seine Zähne rissen Rods Arm vom Ellbogen bis zum Handgelenk auf.

Der Wolf landete und heulte vor Freude auf. Mit heraushängender Zunge sprang er erneut. Rod ließ sich auf ein Knie fallen, doch das Tier hielt mitten im Sprung an und fiel auf ihn. Die Hinterbeine zerkratzten Rods Brust, und die gewaltigen Kiefer versuchten ihn am Rücken zu packen. Rod kämpfte sich auf die Beine, beugte sich nach vorn und stieß mit aller Kraft gegen den Bauch des Wolfes. Das Wertier flog durch die Luft, dabei rissen die Krallen seiner Vorderbeine Rods Rücken auf.

Der Wolf landete auf dem Rücken und heulte vor Schmerzen, trotzdem war er schnell wieder auf den Beinen und lief, nach Blut knurrend, in einem Kreis um Rod herum. Rod drehte sich so, daß er den Wolf ständig vor sich hatte. Wie geht man gegen einen Werwolf vor? Gekab wüßte es sicher, aber der Roboter war immer noch außer Betrieb.

Der Wolf geiferte und setzte an, um Rod an die Kehle zu springen.

Rod kauerte sich tief und stieß mit der Hand zu. Seine Faust traf den Wolf direkt am Solarplexus. Eilig sprang Rod zurück und duckte sich. Der Wolf stürzte auf den Boden und schnappte nach Luft. Rod kreiste gegen den Uhrzeiger um ihn herum, weil ihm das vielleicht Glück bringen würde, wie er hoffte.

Der Wolf kam wacklig auf die Beine. Er knurrte und kreiste nun auf eine Chance lauernd ebenfalls um Rod herum, und wie der im Gegenuhrzeigersinn.

Beiden gleichzeitig kann es kaum Glück bringen, dachte Rod und änderte die Richtung, um hinter den Wolf zu gelangen.

Das Wertier sprang.

Rod wirbelte herum und holte zu einem Kinnhaken aus, aber der Wolf schnappte nach seiner Faust. Rod brüllte vor Schmerz auf und stieß dem Untier den Stiefel in den Bauch. Der Wolf öffnete aufheulend die Kiefer und gab Rods Hand wieder frei.

Inzwischen überlegte Rod verzweifelt, was gegen einen Werwolf half. Wolfsmilch, vermutlich, aber er könnte sie nicht von Efeu oder sonst einem Grünzeug unterscheiden.

Silberkugeln, sicher. Doch chemische Schußwaffen waren schon seit Tausenden von Jahren nicht mehr in Mode, und das DDT hatte Silber als Währung längst aufgegeben. Ein Kruzifix? Rod nahm sich fest vor, in Zukunft doch an eine Religionszugehörigkeit zu denken.

Sein felliger Freund hatte sich wieder gefangen. Er spannte die Hinterbeine und sprang. Rod wich seitwärts aus, aber das Tier hatte offenbar damit gerechnet und landete voll auf seiner Brust und schnappte geifernd nach seiner Kehle.

Rod fiel auf den Rücken. Er zog die Beine hoch, hieb sie in den

Bauch des Tieres und katapultierte es von sich. Der Wolf prallte schwer auf und plagte sich, um wieder auf die Beine zu kommen.

Was sonst mochten Werwölfe nicht? Knoblauch! Rod kreiste um den Wolf herum und kramte in seiner Tasche nach dem Wurstrest vom Abendessen. Der Wolf spreizte die Beine und hustete. Rod kaute einen Mundvoll Knoblauchwurst.

Mit einem wütenden, entschlossenen Knurren kam das Tier auf die Beine, spannte die Muskeln an und sprang.

Rod packte es an den Vorderbeinen. Er stolperte ein wenig unter seinem Gewicht zurück. Mit aller Gewalt blies er dem Tier seinen Atem ins Gesicht, dann ließ er den Wolf fallen und sprang zur Seite.

Der Wolf rollte sich spuckend und hustend herum, keuchte schaudernd und brach zusammen. Seine Gestalt streckte sich aus, entspannte sich, streckte sich weiter — und ein hochgewachsener, hagerer Mann lag mit dem Gesicht nach unten, heftig luftschnappend, im Gras.

Rod sank auf die Knie. Gerettet durch Knoblauchwurst!

Gras streifte gegen sein Knie. Er blickte in die lächelnden Augen Robin Goodfellows. „Kehrt mit uns zurück, wenn Ihr möchtet, Rod Gallowglass, denn unsere Pfade sind nun auch Eure, wann immer Ihr in Freundschaft darauf wandeln wollt.“

Rod lächelte müde. „Er hätte mich fast getötet!“ beschwerte er sich mit einem Blick auf den jetzt bewußtlosen Werwolf.

Puck schüttelte den Kopf. „Wir beobachteten euch beide und hätten sowohl Euren als auch seinen Tod verhindert. Und was Eure Wunden betrifft, wir werden sie schnell heilen.“

Rod schüttelte benommen den Kopf.

„Außerdem wußten wir, daß Ihr als Zauberer über Kräfte von solcher Macht verfügt, daß Ihr ihn besiegen konntet — wenn Ihr ein weißer Magier seid.“

„Oh?“ Rod hob die Brauen. „Und wenn nicht? Wenn ich ein

schwarzer wäre?“

„Nun“, erwiderte Puck grinsend, „hättet Ihr Euch mit ihm verbunden und versucht, gegen uns zu kämpfen, um aus dem Käfig zu entkommen.“

„Hätte euch das denn nicht in Gefahr bringen können?“

„Nein.“ Wieder grinste Puck. „Die Magie von zwei Dutzend Elfen ist immer noch stärker als die von zwei Zauberern.“

„Ich verstehe.“ Rod rieb sich das Kinn. „Ihr habt es darauf ankommen lassen, aber ihr konntet es mir natürlich nicht sagen, denn solange ich nichts wußte, bewies mein Kampf gegen den Werwolf, daß ich zu den Guten gehöre, hm?“

„Zum Teil.“

„Oh? Und was noch?“

„Nun, Rod Gallowglass, Ihr hattet den Wolf mehrmals in hilfloser Lage, aber Ihr habt ihn nicht getötet.“

„Und das beweist, daß ich ein gutes Herz habe?“

„Das, und auch, daß Ihr Euch Eurer Macht sicher genug seid, Gnade walten lassen zu können. Und das ist der Beweis, nicht nur, daß Ihr weiß, sondern überhaupt ein Zauberer seid.“

Rod preßte die Lippen zusammen. Mit übertriebener Geduld brummte er. „Es hätte natürlich auch lediglich beweisen können, daß ich ein erfahrener Kämpfer bin.“

„Es hätte“, gestand ihm Puck zu. „Aber Ihr habt ihn schließlich durch Zauberei besiegt.“

Rod holte tief Luft. „Hör zu“, sagte er betont. „Ich bin kein Zauberer. Ich war nie ein Zauberer. Ich will und werde nie ein Zauberer sein. Ich bin lediglich ein Söldner, der eben ein paar Tricks kennt.“

„Aber gewiß doch, Meister Zauberer, ganz wie Ihr wollt.

Kommt Ihr nun mit in die Höhle zurück? Wir bringen Euch dann in Euren Gasthof.“

„Na gut“, brummte Rod.

Die ersten Sterne gingen bereits unter, als Rod sich hundemüde in den Stall schleppte. Nur eine Kerze brannte hier und machte

die Dunkelheit noch schwärzer. Rod schwang einen Arm um Gekabs Rücken, um sich zu stützen, ehe er den Arretierknopf drückte. Der samtschwarze Kopf hob sich, schüttelte sich zweimal und schaute Rod über die Schulter an. Der Roboter schwieg kurz, dann hörte Rod hinter dem Ohr in vorwurfsvollem Ton: „Sie haben mich lange ausgeschaltet gelassen. Die Nachwirkungen des Anfalls sind längst vorüber.“ „Tut mir leid, altes Eisen.“ Immer noch hielt Rod sich am Pferderücken fest, denn seine Beine fühlten sich wie aus Gummi an. „Ich war auf dem Weg, dich wieder einzuschalten, als ich selbst ausgeschaltet wurde.“

„Ausgeschaltet?“ Gekabs Stimme klang nun zur Abwechslung verlegen, ja schuldbewußt. „Während ich schlief! O möge meine Hülle für immer auf dem Schrottplatz verrotten! Möge mein Germanium dem Konverter zur Wiederverwertung überantwortet werden! Mögen meine…“

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